VereinsWiki
Advertisement
Bundesarchiv Bild 183-08618-0005, Berlin, 2

Walter Ulbricht (1950)

Walter Ernst Paul Ulbricht (* 30. Juni 1893 in Leipzig; † 1. August 1973 in Groß Dölln) war von 1949 bis zu seiner Entmachtung 1971 der bedeutendste Politiker der Deutschen Demokratischen Republik. Unter seiner Führung entwickelte sie sich zum sozialistischen Staat.

Seit seiner Jugend in der sozialistischen Arbeiterbewegung Deutschlands aktiv, wurde Ulbricht zum Berufsrevolutionär. In der Endphase der Weimarer Republik leitete er die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) innerhalb der Reichshauptstadt Berlin. Am Kampf der stalinistisch ausgerichteten Partei gegen die Sozialdemokratie und die republikanische Ordnung war er im Führungszirkel um Ernst Thälmann beteiligt.

Aus dem sowjetischen Exil 1945 als Leiter der „Gruppe Ulbricht“ nach Berlin zurückgekehrt, wirkte er in der sowjetischen Besatzungszone in enger Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht als führender Funktionär der KPD und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) prägend am Aufbau des Staatsapparates der späteren DDR mit.

Von 1950 bis 1971 stand er an der Spitze des Zentralkomitees der SED und besaß die höchste politische Entscheidungsgewalt. In dieser Eigenschaft und mit sowjetischem Einverständnis veranlasste Ulbricht 1952 den Aufbau des Sozialismus in der DDR und 1961 den Bau der Berliner Mauer.

Formal war Ulbricht von 1949 bis 1960 stellvertretender Ministerpräsident und von 1960 bis zu seinem Tod Vorsitzender des Staatsrats der DDR.

Leben[]

Jugend und politische Anfänge[]

Als erstes Kind des gelernten Schneiders Ernst August Ulbricht und dessen Ehefrau Pauline Ida, geb. Rothe, wurde Walter Ulbricht 1893 in der Leipziger Gottschedstraße 4 (heute 25) geboren. In dasselbe Gebäude zog 1899 Gustav Stresemann als Student ein.[1][2] Ulbrichts Elternhaus war aktiv sozialdemokratisch geprägt. Nach seiner Volksschulzeit begann er 1907 eine Lehre als Möbeltischler, die er 1911 erfolgreich abschloss.[3]

Bereits 1908 trat Ulbricht dem Arbeiterjugendbildungsverein Alt-Leipzig bei, 1912 wurde er Mitglied der SPD. Als Jungfunktionär hielt Ulbricht Vorträge vor Jugendgruppen der SPD und übernahm ehrenamtliche Tätigkeiten beim Arbeiterbildungsinstitut sowie in der Leipziger Arbeiterjugendbewegung. Im Jahr 1913 wurde er zum engsten SPD-Funktionärskreis, der so genannten „Korpora“, zugelassen.[4]

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges verfasste und veröffentlichte Walter Ulbricht als Mitglied des linken Flügels der SPD unter Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zahlreiche Flugblätter mit Aufrufen zur Beendigung des Krieges. Auf einer Funktionärsversammlung der SPD „Groß-Leipzig“ im Dezember 1914 forderte Ulbricht, die Reichstagsabgeordneten der SPD sollten künftig gegen weitere Kriegskredite stimmen. Er wurde für seine Haltung persönlich angegriffen, der Antrag wurde abgelehnt.[5]

Von 1915 bis 1918 diente Ulbricht als Soldat an der Ostfront und auf dem Balkan in Serbien und Mazedonien als Gefreiter bei der Magazin-Fuhrpark-Kolonne 218; 1917/18 war er wegen Malaria im Lazarett in Skopje.[6] Im Jahr 1917 trat er der USPD bei, einer Abspaltung der SPD. Obwohl er als Soldat nicht agitatorisch aktiv wurde, galt er den Militärbehörden als politisch verdächtig. Bei seiner Verlegung an die Westfront desertierte Ulbricht 1918 auf dem Transport, wurde wieder aufgegriffen und zu zwei Monaten Haft verurteilt. Kurze Zeit nach seiner Entlassung und erneuten Verwendung als Soldat in Brüssel wurde er wegen des Besitzes von gegen den Krieg gerichteten Flugblättern in Belgien erneut festgesetzt. Einem weiteren Militärgerichtsverfahren konnte Ulbricht sich bei Ausbruch der Novemberrevolution durch Flucht entziehen.[7]

Weimarer Zeit[]

Während der Novemberrevolution 1918 war Ulbricht Mitglied des Soldatenrates des XIX. Armeekorps in Leipzig. Vermutlich erst seit 1920 war er Mitglied der KPD, stieg jedoch als Parteifunktionär rasch auf. So organisierte er den Parteibezirk Groß-Thüringen neu. Ende 1920 hielt er sich anlässlich des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale (Komintern), für die er ab 1924 tätig war, erstmals in Moskau und Petrograd auf. Ulbricht vertrat das Organisationsprinzip der Betriebszellen im Gegensatz zur bisher üblichen Gliederung nach Wohnortgruppen. Von 1926 bis 1929 war er sächsischer Landtagsabgeordneter und ab 1928 für den Wahlkreis Westfalen-Süd auch Mitglied des Reichstags[8] und kurz darauf auch im Zentralkomitee (ZK) seiner Partei und ab 1929 Politischer Leiter des KPD-Bezirks Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark. In dieser Funktion befürwortete er die Ermordung der Polizeihauptleute Anlauf und Lenk auf dem Berliner Bülowplatz im August 1931.[9] Zwischenzeitlich war Ulbricht im Jahr 1928 Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) geworden. Ein zentraler Arbeitsbereich Ulbrichts in der KPD-Führung war ab 1928/29 die Gewerkschaftspolitik der Partei und deren radikalisierte Streikstrategie, die sich von der Strategie der freigewerkschaftlichen ADGB-Verbände abzugrenzen versuchte. Zu dieser Thematik veröffentlichte Ulbricht eine Reihe an Aufsätzen. Ab 1929 war er auch Mitglied des Reichskomitees der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO), wodurch Ulbricht in zahlreiche Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen Partei- und RGO-Strukturen verwickelt war.[10] Im November 1932 war er einer der Mitorganisatoren des wilden Streiks bei der Berliner Verkehrsgesellschaft, hinter dem neben der KPD auch die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation der NSDAP stand. Bei einer Massenkundgebung trat Ulbricht gemeinsam mit dem NSDAP-Gauleiter von Berlin Joseph Goebbels auf.[11]

Zwischen 1933 und 1945[]

Rotmord - Fahndungsplakat der Berliner Polizei (1933)

Fahndungsplakat der Berliner Polizei vom September 1933 (Ulbricht unten links, oben rechts Erich Mielke).

Nach der Machtübernahme der NSDAP im Januar 1933 nahm Ulbricht am 7. Februar 1933 an der geheimen Funktionärstagung der KPD im Sporthaus Ziegenhals bei Berlin teil.[12] Er führte die Arbeit der KPD in der Illegalität weiter. Weil er im Dezember 1932 durch einen „Aufruf zum Generalstreik“ versucht habe, „gewaltsam die Verfassung zu verändern“, und wegen seiner Beteiligung am Polizistenmord im Jahr 1931 wurde Ulbricht vom Amtsgericht Berlin steckbrieflich gesucht. Auf Beschluss des Politbüros der KPD emigrierte er Anfang Oktober 1933 nach Moskau, um wenig später nach Paris zu gehen.[13]

Nach seinem Aufenthalt in Paris und Prag zog er im Jahr 1938 nach Moskau. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verteidigte Ulbricht den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt mit dem Argument, das Hitlerregime werde unter anderem wegen der Stärke der Roten Armee nun im Gegensatz zu England notgedrungen einen friedlichen Weg einschlagen. „Die deutsche Regierung erklärte sich zu friedlichen Beziehungen zur Sowjetunion bereit, während der englisch-französische Kriegsblock den Krieg gegen die sozialistische Sowjetunion will“, so Ulbricht.[14] Im Jahr 1940 verurteilte Walter Ulbricht in der von ihm herausgegebenen Stockholmer Zeitschrift Welt die Vorschläge anderer Widerständler, England im Krieg gegen Deutschland zu unterstützen. Er schrieb, dass fortschrittliche Kräfte nicht „den Kampf gegen den Terror und gegen die Reaktion in Deutschland führen“, nur um stattdessen dem „englischen Imperialismus“ zum Sieg zu verhelfen.

Unmittelbar nach Deutschlands Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 setzte die Kominternführung Ulbricht beim deutschsprachigen Programm von Radio Moskau ein. Im Schützengraben forderte er deutsche Soldaten in der Schlacht von Stalingrad über Megaphon zur Kapitulation und zum Überlaufen auf. In sowjetischen Kriegsgefangenenlagern versuchte er, deutsche Soldaten für den Aufbau einer deutschen Nachkriegsordnung im Sinne der KPD zu gewinnen. Er war 1943 Mitbegründer des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD): Nach einer Idee der politischen Abteilung der Roten Armee sollten kommunistische Emigranten und deutsche Kriegsgefangene im Sinne der Volksfronttaktik zusammenarbeiten.[15]

Aufbau der DDR unter Ulbricht[]

Mao, Bulganin, Stalin, Ulbricht Tsedenbal

Mao, Bulganin, Stalin, Ulbricht und Tsedenbal 1949

Bundesarchiv Bild 183-66400-0142, Leipzig, Turn- und Sportfest, Walter Ulbricht

Ulbricht beim III. Deutschen Turn- und Sportfest in Leipzig 1959. Ulbricht trieb bis ins Alter gern Sport und förderte den Sport in Schulen, Betrieben und Hochschulen.[16]

Am 30. April 1945 kehrte Ulbricht als Chef der nach ihm benannten Gruppe Ulbricht in das zerstörte Deutschland zurück und organisierte in der Sowjetischen Besatzungszone die Neugründung der KPD und 1946 den Vereinigungsparteitag von KPD und SPD zur SED in Berlin.[17] Von 1946 bis 1951 war Ulbricht Abgeordneter des Landtages der Provinz Sachsen(-Anhalt) (ab 1947 Land Sachsen-Anhalt). Im Landtag gehörte er der Fraktion der SED an und war Mitglied des Ausschusses für Recht und Verfassung und des Wirtschaftsausschusses.

Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurde er stellvertretender Vorsitzender im Ministerrat unter dem Vorsitzenden Otto Grotewohl, übertraf jedoch diesen und Staatspräsident Wilhelm Pieck an Macht. Nach dem III. Parteitag der SED wurde Ulbricht am 25. Juli 1950 vom ZK zum Generalsekretär des ZK der SED gewählt,[18] einer Position, die 1953 in Erster Sekretär des ZK der SED umbenannt wurde.

Aufbau des Sozialismus[]

Nachdem durch die strikte Ablehnung der Stalin-Noten und den Deutschlandvertrag deutlich geworden war, dass sich die westlichen Regierungen nicht davon abhalten ließen, den westdeutschen Teilstaat aufzubauen, setzte Ulbricht im Juli 1952 den Aufbau des Sozialismus nach sowjetischem Muster in der DDR durch. Kurz zuvor hatte er sich diesen Kurs von Josef Stalin, dem eigentlichen Machthaber in der DDR, genehmigen lassen. Auf der II. Parteikonferenz der SED – Parteitage wurden erst wieder ab 1954 durchgeführt – erklärte Ulbricht:

„Die politischen und die ökonomischen Bedingungen der Arbeiterklasse sowie das Bewußtsein der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Werktätigen sind so weit entwickelt, daß der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe in der Deutschen Demokratischen Republik geworden ist. […] Der Aufbau des Sozialismus erfordert:
a) Durchführung der grundsätzlichen Aufgaben der Volksmacht: den feindlichen Widerstand zu brechen und feindliche Agenten unschädlich zu machen; die Heimat und das Werk des sozialistischen Aufbaus durch die Organisierung bewaffneter Kräfte zu schützen […] Die Stärkung der demokratischen Staatsmacht ist zu einer dringenden Notwendigkeit geworden. Es ist eine Verwaltungsreform durchzuführen […]
b) […] Die Parteikonferenz lenkt die Aufmerksamkeit der Parteimitglieder im Staatsapparat und in der Industrie auf die Notwendigkeit der Rekonstruktion der Hüttenindustrie, des Bergbaus, des Schwermaschinenbaus und der Energiewirtschaft […]
c) Der breiteste sozialistische Wettbewerb ist zu entfalten, die Erfahrungen der Neuerer sind weitestens zu verbreiten und zu popularisieren […]
d) Den Landarbeitern und werktätigen Bauern, die sich auf völlig freiwilliger Grundlage zu Produktionsgenossenschaften zusammenschließen, ist die notwendige Hilfe zu gewähren und dadurch zugleich das Bündnis der Arbeiterklasse mit den werktätigen Bauern zu festigen.“[19]

In der Folge wurde die Abriegelung der innerdeutschen Grenze forciert, die bereits Ende Mai 1952 vom Ministerrat beschlossen worden war. Auch die Kasernierte Volkspolizei, die erste Armee der DDR, war kurz vorher gegründet worden. Sie wurde später (1956) zur Nationalen Volksarmee ausgebaut. Das 1950 eingerichtete Ministerium für Staatssicherheit wurde gleichfalls ausgebaut und verschärfte seine Tätigkeit gegen echte und vermeintliche Staatsfeinde, insbesondere gegen die Jungen Gemeinden; die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat wurde nun eingestellt. Die Länder wurden abgeschafft, seitdem wurde die DDR zentralistisch regiert. Die Verstaatlichung von Wirtschaftsbetrieben wurde vorangetrieben, wobei nach sowjetischem Vorbild ein besonderes Gewicht auf den Aufbau einer Schwerindustrie gelegt wurde. Diesem Ziel wurde der Ausbau der Konsumgüterindustrie nachgeordnet. Auch begann die Kollektivierung der Landwirtschaft, bei der Ulbricht indes auf Schwierigkeiten stieß: Erst 1960 waren alle Landwirte einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft beigetreten.[20]

Nach dem Tod Josef Stalins am 5. März 1953 war die Position Ulbrichts zeitweise stark gefährdet, da er als Archetyp eines Stalinisten galt. Auch wurde ihm der um ihn betriebene Personenkult vorgeworfen, insbesondere im Zusammenhang mit seinem 60. Geburtstag am 30. Juni 1953, für den aufwändige Jubelfeiern geplant waren, auf die Ulbricht dann verzichtete.[21] Der vor dem Geburtstag (unter Beteiligung namhafter Kulturschaffender) hergestellte Film Baumeister des Sozialismus – Walter Ulbricht blieb bis zum Ende der DDR unter Verschluss.

Paradoxerweise rettete ihn der Volksaufstand des 17. Juni 1953, der durch den von Ulbricht befohlenen forcierten Aufbau des Sozialismus mit ausgelöst worden war. Die Sowjetunion hätte seine geplante Absetzung als Schwächezeichen verstanden, jedoch wurde eine schon vorgestellte Briefmarke mit Ulbrichts Porträt für das Standardporto eines Briefes der DDR nicht ausgegeben. Die mangelnde Rückendeckung seiner innerparteilichen Rivalen Wilhelm Zaisser und Rudolf Herrnstadt seitens der Besatzungsmacht stärkte seine Position, so dass er den politischen Machtkampf innerhalb der SED für sich entscheiden konnte. 1960 wurde er Vorsitzender zweier neu geschaffener Gremien, des Nationalen Verteidigungsrates und des Staatsrates, der nach dem Tode Wilhelm Piecks das Amt des Präsidenten der DDR ersetzte. Ulbricht war damit Staatsoberhaupt der DDR und hatte die entscheidenden Herrschaftsfunktionen über Staat und Partei auf seine Person vereint. Innerparteiliche Kritiker wie Karl Schirdewan, Ernst Wollweber, Fritz Selbmann, Fred Oelßner, Gerhart Ziller und andere wurden ab 1958 als „Fraktionsbildner“ diffamiert und politisch ausgeschaltet. Der Historiker Stefan Alisch meint deshalb, Ulbricht habe die Machtfülle eines Diktators besessen.[22]

Mauerbau[]

Berlin Wall 1961-11-20

Verstärkung der Mauer am Brandenburger Tor im November 1961

Der Bau der Berliner Mauer durch die DDR 1961 fand unter Ulbrichts politischer Verantwortung statt, nachdem er als Ergebnis harter Verhandlungen die Moskauer Staatsführung von der Notwendigkeit ihres Baues aus Sicht der DDR-Regierung (wegen der damaligen Abwanderung der gut Ausgebildeten und der Elite, des so genannten „Ausblutens“) überzeugt hatte.

Zunächst hatte er sich auf einer Pressekonferenz am 15. Juni 1961 bemüht, derartige Absichten öffentlich zu dementieren, auch indem er auf die Frage der westdeutschen Journalistin Annamarie Doherr einging.

Doherr: „Ich möchte eine Zusatzfrage stellen. Doherr, Frankfurter Rundschau. Herr Vorsitzender, bedeutet die Bildung einer freien Stadt Ihrer Meinung nach, dass die Staatsgrenze am Brandenburger Tor errichtet wird? Und sind Sie entschlossen, dieser Tatsache mit allen Konsequenzen Rechnung zu tragen?“

Darauf Ulbricht: „Ich verstehe Ihre Frage so, dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? Ääh, mir ist nicht bekannt, dass solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen, und ihre Arbeitskraft dafür voll ausgenutzt wird, voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“[23]

Obwohl nicht speziell nach der Art der Abriegelungsmaßnahmen gefragt wurde, war Ulbricht selbst damit der erste, der den Begriff „Mauer“ diesbezüglich in den Raum stellte. Ob er dies aus einer Unachtsamkeit heraus oder mit Absicht tat, konnte nie abschließend geklärt werden.

Zwei Monate später, am Sonntag, dem 13. August 1961, begannen nachts gegen 1 Uhr Streitkräfte der DDR, die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin sowie der zwischen West-Berlin und der DDR auf ihrer vollen Länge (nahezu 170 km) praktisch lückenlos und zur gleichen Zeit mit einem gewaltigen Aufwand an Menschen und Material abzuriegeln und Sperranlagen zu errichten.

National orientierte Architektur und Kulturpolitik[]

Bundesarchiv Bild 183-J1231-1002-002 Walter Ulbricht, Neujahrsansprache

Walter Ulbricht (1970)

Ruth Hahne Ulbricht

Walter-Ulbricht-Büste der Bildhauerin Ruthild Hahne, für die Ulbricht 1963 Modell gesessen hat

Bundesarchiv Bild 183-F0309-0201-001, Berlin, Empfang DDR-Frauen bei Ulbricht

Willi Stoph im Gespräch mit Lotte und Walter Ulbricht

Beim Aufbau der DDR forderte Ulbricht auf dem III. Parteitag der SED die Abkehr vom (westlichen, im Bauhaus in Weimar begründeten) Formalismus. Die Architektur habe der Form nach national zu sein. Diese gespaltene Haltung spiegelte sich in der Gründung einer Deutschen Bauakademie und der Zeitschrift Deutsche Architektur, sowie etlichen widersprüchlichen Abbruch- und Baumaßnahmen wider. Aus ideologischen Gründen und vor dem Hintergrund des Aufbaus sozialistischer Stadtzentren wurden während der Herrschaft Walter Ulbrichts in den 1950er und 1960er Jahren zahlreiche wiederaufbaufähige Kriegsruinen bedeutsamer und stadtbildprägender historischer Gebäude abgerissen. So wurden z. B. das Berliner Schloss (1950) und das Potsdamer Stadtschloss (1959) gesprengt. Etwa 60 Kirchenbauten, darunter einige intakte oder wiederaufgebaute, wurden gesprengt oder abgerissen, darunter 17 Kirchen in Ostberlin.[24] Die Ulrichkirche in Magdeburg wurde 1956 gesprengt, die Dresdner Sophienkirche 1963, die Potsdamer Garnisonkirche am 23. Juni 1968 und die intakte 700 Jahre alte Leipziger Universitätskirche am 30. Mai 1968. Dabei kam es nach Bürgerprotesten gegen die Kirchensprengung auch zu Inhaftierungen.[25] Viele der Neubauten wurden während der 1950er Jahre im Stil des Sozialistischen Klassizismus errichtet, zum Beispiel die Stalinallee in Berlin.

Ulbricht sah den Sozialismus als eigenständige längerdauernde Phase und setzte sich damit auch von anderen Ländern im RGW ab. Einen in diesem Sinne „nationalen Weg zum Sozialismus“ spiegeln auch die Verwendung von Elementen der früheren Uniform der Wehrmacht bei den NVA-Uniformen, nach preußischen Militärs benannte Orden der NVA wie dem Blücher- und dem Scharnhorst-Orden sowie der später unter Honecker nicht mehr gesungene Text der DDR-Hymne wider.

Nach dem Mauerbau 1961 öffnete sich die DDR zunächst nach innen, insbesondere gegenüber der Jugendkultur in der DDR. Ulbricht beabsichtigte eine möglichst umfassende eigene Jugendkultur der DDR zu schaffen, die weitgehend unabhängig von westlichen Einflüssen sein sollte. Bekannt wurde seine auf das „Yeah, Yeah, Yeah“ der Beatles anspielende Aussage „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“[26]

Verwaltungs- und Wirtschaftspolitik[]

Prägend für die Neugliederung der DDR war die Ausschaltung und Beseitigung der Selbstverwaltung durch Auflösung der fünf Länder und Neugliederung in 14 Bezirke (25. Juli 1952), zu denen (Ost-)Berlin als „Hauptstadt der DDR“ hinzukam. Die Ende der 50er Jahre erhöhten Planzielerwartungen, die weiter forcierte Kollektivierung der Landwirtschaft und die durch Drohungen Chruschtschows verschärfte Berlin-Krise machten die Lage der DDR prekär. Diese wurde durch das bekannteste durch Walter Ulbricht begonnene Bauwerk, die paradoxerweise dem ungeliebten Formalismus verhaftete Berliner Mauer, 1961 wieder stabilisiert.

Ulbricht versuchte seit 1963 mit dem Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung (NÖSPL) – später kurz Neues Ökonomisches System (NÖS) – eine größere Effizienz der Wirtschaft zu erreichen. Wichtige Treiber des NÖS waren Wolfgang Berger und Erich Apel. Der gesamtheitliche Plan sollte bestehen bleiben, aber die einzelnen Betriebe sollten größere Entscheidungsmöglichkeiten bekommen. Es ging dabei nicht nur um den Anreiz durch eigene Verantwortung, sondern auch darum, dass konkrete Fragen vor Ort besser entschieden werden können.

Mit der Modernisierung des ökonomischen Systems gingen Reformen im gesellschaftlichen Bereich (etwa durch das Bildungsgesetz von 1965) einher. Die DDR nahm Züge einer „sozialistischen Leistungsgesellschaft“ an, in der nicht mehr nur politische Rechtgläubigkeit, sondern auch fachliche Qualifikationen über die berufliche und damit gesellschaftliche Stellung entscheiden sollte. Zunehmend rückten auch Fachleute in politische Führungspositionen auf. Verfassungsrechtlich wurden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen 1968 in der zweiten Verfassung der DDR festgeschrieben.

Einer der Interessenschwerpunkte Ulbrichts war die wissenschaftliche Leitung der Wirtschaft und Politik, unter anderem mittels Kybernetik, Elementen der Psychologie und Soziologie, aber vor allem stärker auf naturwissenschaftlich-technischer Basis. Grundpfeiler dessen war eine umfassende Computerisierung und der Ausbau der Elektronischen Datenverarbeitung.[27] Das NÖS sah auch die Verbindung der Ökonomie mit der Wissenschaft vor, was in der Praxis hieß, dass mehr und mehr Fachleute die wichtigen Entscheidungen trafen und einzelne Betriebe und Unternehmen eine größere Selbständigkeit erlangten. Im Frühjahr 1972 bestanden noch etwa rund 11.400 mittelständische Betriebe in der DDR, unter ihnen circa 6500 halbstaatliche Betriebe, die insbesondere Konsumgüter und Dienstleistungen anboten, was von vielen Mitgliedern der SED nicht gern gesehen wurde.

Ulbricht verhalf der DDR zu einer wichtigen Rolle bei der Devisenbeschaffung für den RGW, da sie durch Bartergeschäfte finanzierte Rohstofflieferungen aus der Sowjetunion in auch im westlichen Ausland verkäufliche Chemiegrundstoffe und Konsumwaren umsetzte. Vergeblich trieb Ulbricht auf höchster Ebene die Erdölprospektion in der DDR voran, um gegenüber der damals noch über 30 % ihres Erdölbedarfs selbst fördernden Bundesrepublik aufzuholen. Sein Versuch, die Abhängigkeit von der Sowjetunion zu vermindern, scheiterte 1965 nach kontroversen Verhandlungen; der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission Erich Apel erschoss sich daraufhin.

Danach kam es innerhalb der SED zu größerem Widerstand gegen das NÖS. Der Führer dieser Opposition, die sich der Unterstützung Breschnews erfreute, war Erich Honecker, der wiederum auf die Stimmen zahlreicher Parteimitglieder hoffen konnte und 1972 eine letzte große Verstaatlichungswelle durchsetzte.

Außenpolitische Positionen[]

Ulbricht ignorierte „Widersprüche im Sozialismus“, etwa bei den real vergleichsweise schlechten Beziehungen der DDR zu den kleineren „Bruderstaaten“ im RGW. Sein dafür verwendeter Begriff „sozialistische Menschengemeinschaft“ wurde nach seinem Tod schnell fallengelassen. Wichtig und entscheidend für die DDR wie auch die politische Karriere Ulbrichts selbst war das Verhältnis zur Sowjetunion. Mit Hinweis auf die vergleichsweise großen wirtschaftlichen Erfolge im RGW propagierte Ulbricht Ende der 60er Jahre das „Modell DDR“ als Vorbild aller entwickelten realsozialistischen Industriegesellschaften und geriet darüber in ideologische Konflikte mit der KPdSU. Der Niederschlagung des Prager Frühlings stand Ulbricht wiederum positiv gegenüber. Dem tschechoslowakischen Botschafter hatte er vorher vorgeworfen, mit ihrer entschiedenen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit würde die KSČ den anderen sozialistischen Staaten in den Rücken fallen:

„Jetzt liefern Sie das Material für den psychologischen Krieg des Imperialismus gegen den Sozialismus. Jeden Tag bekommt die Weltpresse von Ihnen Material für den Kampf gegen das sozialistische Weltsystem. Während […] in Westdeutschland die Jugendlichen mutig auftreten, vom Imperialismus geschlagen und getötet werden, liefern Sie Material über den ‚Terror der Kommunisten‘. […] Das ist zuviel, das ist schlimmer als zu Zeiten Chruschtschows.“[28]

Damit meinte Ulbricht die Auseinandersetzung mit dem Stalinismus und dem damit verbundenen Personenkult, gegen die er selbst sich verwahrte, da er seine Position gefährdet sah. Beim Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die ČSSR und der militärischen Zerschlagung der Reformbewegung, die als „Konterrevolution“ oder „Sozialdemokratismus“ denunziert wurde, nahm die Nationale Volksarmee nicht teil, auch wenn die offizielle DDR-Propaganda bis Ende der 1980er Jahre behauptete, sie hätte an der Invasion teilgenommen.[29]

Auf Ulbricht geht der Standpunkt der DDR-Führung zurück, dass es normale diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nur geben könne, wenn beide Staaten die volle Souveränität des jeweils anderen Staates anerkannten (Ulbricht-Doktrin). Dies stand im Gegensatz zur bundesdeutschen Hallstein-Doktrin, der zufolge die Bundesrepublik die Kontakte zu einem Staat abbricht, der die DDR anerkennt.

Entmachtung[]

Bundesarchiv Bild 183-18231-0003, LPG Trinwillershagen, Besuch durch Walter Ulbricht

Ulbricht beim Besuch der LPG „Rotes Banner“ in Trinwillershagen am 31. Januar 1953

Ab 1969 kam es zu Streitigkeiten mit Mitgliedern des Politbüro der SED zur weiteren Wirtschafts- und Außenpolitik der DDR. Ulbricht war im Rahmen der Entspannungspolitik von Bundeskanzler Willy Brandt (Kanzler seit Herbst 1969, Kabinett Brandt I) bereit, die Verhandlungen mit der Bundesrepublik über eine völkerrechtliche Anerkennung zurückzustellen (beispielsweise auf den Austausch von Botschaftern zu verzichten). Er erhoffte sich von der neuen Entspannungspolitik der Bundesregierung wirtschaftliche Vorteile für die DDR.[30] Da die Mehrheit im Politbüro nicht dieser Meinung folgte, kam es ab 1970 zur Schwächung seiner Position in der Partei. Offiziell wurde in der DDR bis 1989 behauptet, Ulbricht habe sich den deutschlandpolitischen Entspannungsbemühungen zwischen der neuen sozialliberalen Bundesregierung und der Sowjetunion widersetzt.

Die Unterstützung der sowjetischen Führung unter Leonid Breschnew verlor er aber bereits ab 1967, als er die These aufstellte, die DDR befinde sich auf dem Weg in das „entwickelte gesellschaftliche System des Sozialismus“ und dies stelle eine eigenständige Gesellschaftsform dar. Hierbei wollte er auch mit der KPdSU „gleichziehen“, die behauptete, sie habe in der Sowjetunion den Sozialismus bereits realisiert und befinde sich auf dem Weg zum Kommunismus. Damit stellte Ulbricht einen Monopolanspruch der KPdSU auf deren Auslegung der marxistisch-leninistischen Grundsätze in Frage und beanspruchte für die SED bzw. für die DDR, ein Vorbild für die anderen Ostblockstaaten bei der Verwirklichung des Sozialismus in einem industrialisierten Land zu sein. Dafür wurde er von der sowjetischen Parteiführung und Gesellschaftswissenschaftlern stark kritisiert.[31]

Bei einem Gespräch zwischen Breschnew und Erich Honecker am 28. Juli 1970 in Moskau wurde vereinbart, dass Ulbricht die Macht in der DDR abzugeben habe. Bei der 14. Tagung des SED-Zentralkomitees vom 9. bis 11. Dezember 1970 wurde dann über die Wirtschaftspolitik diskutiert und die akuten Versorgungsprobleme, welche man für die schlechte Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der SED verantwortlich machte, allein auf die Politik Ulbrichts geschoben.[32] Zugleich wurden sein Führungsstil und seine Alleingänge in der Deutschlandpolitik kritisiert. Am 21. Januar 1971 schrieben dann 13 (der damals 20) Mitglieder und Kandidaten des Politbüros der SED einen siebenseitigen geheimen Brief an Breschnew. Mitverfasser dieses als „Geheime Verschlusssache“ deklarierten Briefes waren u. a. Willi Stoph, Erich Honecker und Günter Mittag. In diesem stellten sie dar, dass Ulbricht nicht mehr in der Lage sei, die wirtschaftlichen und politischen Realitäten richtig einzuschätzen, und mit seiner Haltung gegenüber der Bundesrepublik eine Linie verfolge, die das zwischen der SED und der KPdSU abgesprochene Vorgehen empfindlich störe. Sie schlugen Breschnew vor, die Entmachtung Ulbrichts in der Art vorzunehmen, wie zwischen Honecker und ihm im Juli 1970 besprochen. Am 29. März 1971 reiste Ulbricht letztmals, ohne das zu wissen, an der Spitze einer SED-Delegation zum XXIV. Parteitag der KPdSU nach Moskau. In seiner Grußrede am 31. März 1971 erinnerte er die dortigen Delegierten daran, dass er zu den wenigen Anwesenden zähle, die Lenin noch persönlich gekannt hätten, und stellte die DDR als Modell für die industriell entwickelten sozialistischen Länder dar. Angesichts der bekannten Probleme in der DDR wurden seine Äußerungen jedoch von den Zuhörern in einer Mischung aus Skepsis und Empörung aufgenommen. Bei persönlichen Gesprächen legte Breschnew Ulbricht den Rücktritt nahe; er machte ihm klar, dass Ulbricht mit keiner weiteren Unterstützung durch die Sowjetunion zu rechnen habe und dass auch die Mehrheit des Politbüros der SED gegen ihn stand.

Berlin Friedrichsfelde Zentralfriedhof, Gedenkstätte der Sozialisten (Rondell) - Ulbricht 2

Grabstätte

Am 3. Mai 1971 erklärte Ulbricht dann gegenüber dem Zentralkomitee der SED „aus gesundheitlichen Gründen“ seinen Rücktritt von fast allen seinen Ämtern. Wie bereits in den Absprachen mit Breschnew vorgesehen, wurde als Nachfolger der damals 58-jährige Erich Honecker nominiert. Dieser wurde dann auch auf dem VIII. Parteitag der SED (15. bis zum 19. Juni 1971 in Ost-Berlin) zum Ersten Sekretär des ZK gewählt.[33] Einzig das relativ einflusslose Amt des Vorsitzenden des Staatsrates behielt Ulbricht bis an sein Lebensende. Außerdem erhielt er das neu geschaffene Ehrenamt des „Vorsitzenden der SED“. Er starb am 1. August 1973 im Gästehaus der Regierung der DDR am Döllnsee, während der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten. Die Eröffnung der Weltfestspiele fand im ehemaligen „Walter-Ulbricht-Stadion“ in Ost-Berlin statt, das wenige Tage zuvor in „Stadion der Weltjugend“ umbenannt worden war. Die beginnende Tilgung seines Namens aus der DDR-Geschichtsschreibung und dem öffentlichen Leben durch Umbenennungen von Betrieben, Institutionen und Einrichtungen hatte Ulbricht schon 1972 mit der Entfernung seines Namens aus der Bezeichnung der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam erlebt.

Ulbricht erhielt ein Staatsbegräbnis: Der Staatsakt am frühen Nachmittag des 7. August 1973 fand im Festsaal des Staatsratsgebäudes statt, und Honecker hielt die Gedenkansprache. Auf einer Lafette wurde der Sarg Ulbrichts dann am späten Nachmittag durch ein Ehrenspalier der Nationalen Volksarmee in das Krematorium Berlin-Baumschulenweg überführt. Soldaten hatten entlang der Straße Aufstellung genommen, auch Werktätige waren aus Betrieben an die Strecke beordert worden. Am 17. September wurde Ulbrichts Urne im Rondell der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt.[34]

Angesichts der von ihr abgelehnten Glasnost- und Perestroikapolitik der KPdSU begann die SED Mitte der 1980er Jahre die geschichtliche Rolle Ulbrichts in positivem Sinn zu bewerten.

Personenkult[]

Stamps of Germany (DDR) 1961, MiNr 0848

Walter Ulbricht auf einer Briefmarke der Deutschen Post der DDR, ausgegeben 1961

Noch zu Lebzeiten Walter Ulbrichts, besonders in den 1950er Jahren, wurden in der DDR Betriebe, Einrichtungen und Sportstätten nach ihm benannt, so die Leuna-Werke und das Synthesewerk Schwarzheide, die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft und das spätere Stadion der Weltjugend in Berlin. Ebenso gab es eine Dauerbriefmarkenserie. Sein Porträt hing in allen Schulklassen. Noch 1956, im Jahr der Entstalinisierung, kam das Neue Deutschland mit der Schlagzeile heraus: „Mit Walter Ulbricht für das Glück des Menschen.“[35]

Ulbrichts „sächsischer Dialekt“, seine, möglicherweise auf einem seit mindestens 1925 bestehenden Kehlkopfleiden[36] beruhende, hohe, dünne „Fistel-Stimme“, die sich stets zu überschlagen drohte, und seine nie abgelegte Verkrampftheit boten zahlreichen Gegnern Gelegenheit, ihn zu karikieren. Für die DDR-Justiz erfüllte die Bezeichnung „Spitzbart“ oder die Zuschreibung „allwissend“ für Ulbricht den Tatbestand der Staatsverleumdung, die mit einer Gefängnisstrafe geahndet wurde.[37]

Ein unter Schriftstellern zur Belustigung kursierendes Tonband mit der Rezitation von Goethes „Osterspaziergang“ durch einen Ulbricht-Parodisten veranlasste das Ministerium für Staatssicherheit 1962 zum Einschreiten wegen Staatsverleumdung.[38]

Privatleben[]

Ulbrichts Mutter starb 1926, der Vater 1943 bei einem alliierten Luftangriff auf Leipzig. Die Schwester lebte 1961 in Hamburg und hatte wie der 1928 in die USA ausgewanderte Bruder keine Kontakte zu ihm.[39]

Ulbricht heiratete 1920 Martha Schmellinsky (* 12. Januar 1892 – † 1974), eine Leipziger Maschinennäherin, mit der er seit 1915 befreundet war. Das Ehepaar war in den Folgejahren nur jeweils wochen- oder tageweise zusammen und lebte sich schnell auseinander. Zuletzt erschien Ulbricht bei Martha kurz vor seinem Untertauchen im Jahr 1933. Geschieden wurde die Ehe erst 1949. Das Paar hatte eine Tochter (* 1920), die später ohne jede Verbindung zu Ulbricht mit Mann und zwei Söhnen in Westdeutschland lebte.

Ab den 1920er und besonders in seinen Pariser Jahren hatte Ulbricht eine Lebensgefährtin namens Rosa Michel (eigentlich Marie Wacziarg, * 1901 in Warschau, † 14. November 1990 in Berlin). Sie war polnischer Nationalität, Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) und Mitarbeiterin des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI), im besetzten Frankreich in der Resistance tätig und von 1945 bis 1948 Korrespondentin der KPF-Zeitung L’Humanité in Berlin, dann des ADN in Paris.[40] Der Verbindung entsprang 1931 die Tochter Rose (* 1931 in Moskau, † 1995 in Gif-sur-Yvette). Die Familie Ulbrichts unterhielt über den Tod Ulbrichts und Rosas hinaus bis in die 1990er Jahre familiäre Kontakte zu den zwei Töchtern Rosa Michels.[41]

Die Liebesbeziehung endete, als 1935 in Moskau Erich Wendts Ehefrau Lotte, geb. Kühn, an Rosas Stelle trat. Lotte blieb fortan die Lebensgefährtin Ulbrichts und war ab 1953 seine Ehefrau. Lotte Ulbricht galt in der DDR bis zur Absetzung ihres Mannes als First Lady. Im Haushalt Ulbrichts lebte auch Lottes Schwester „Grete“ Winkler (1901–1986).

Weil der gemeinsame Kinderwunsch mit Lotte nicht in Erfüllung gegangen war, nahmen beide 1946 von sächsischen Pflegeeltern das 1½-jährige Waisenkind Maria Pestunowa mit sowjetischer Staatsangehörigkeit in Adoptionspflege und nannten es Beate (1944–1991). Nach Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) aus dem Jahr 2015 war es das zweite Pflegekind namens Beate, nachdem die Pflegeeltern ihr erstes, Beate Krause (* 1942), nach sieben Monaten der Mutter zurückgeben mussten.[42] Die Tochter einer bei einem Luftangriff auf Leipzig 1944 getöteten Zwangsarbeiterin aus der Ukraine lebte ab 1959 in der Sowjetunion; nach ihrer Rückkehr 1963 kam es zum Bruch mit Walter und Lotte Ulbricht. Beate Ulbricht war zweimal verheiratet und bekam zwei Kinder.[43]

Literatur[]

Weblinks[]

Einzelnachweise[]

  1. Thomas Seidler: Student Stresemann und Schulanfänger Ulbricht. In: Leipziger Volkszeitung. 16. Juli 2007.
  2. Frank Schumann (Hrsg.): Lotte und Walter. Die Ulbrichts in Selbstzeugnissen, Briefen und Dokumenten. Das Neue Berlin, Berlin 2003.
  3. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 39–45.
  4. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 52.
  5. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 54 u. 55.
  6. Carola Stern: Ulbricht. Eine politische Biographie. Ullstein, West-Berlin 1966, S. 260.
  7. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 52, 53.
  8. Reichstagshandbuch
  9. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 89 f.
  10. Vgl. zu Details Stefan Heinz: Moskaus Söldner? Der "Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins": Entwicklung und Scheitern einer kommunistischen Gewerkschaft, Hamburg 2010, S. 91 f., 117, 128, 145, 154 ff., 191, 227 ff., 277 f., 296, 307, 338, 340, 430, 510.
  11. Der BVG-Streik 1932 (Memento vom 5. Oktober 2013 im Internet Archive) im LeMO
  12. Zur Tagung in Ziegenhals siehe Christoph Henseler: Thälmanns Gethsemane. Die Gedenkstätte Ziegenhals und ihr Ende. In: Wolfgang Benz u. a. (Hrsg.): Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG), 6/2010, S. 527–552.
  13. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 99 f.
  14. Walther Hofer: Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges. Lit Verlag, 2007, ISBN 978-3-8258-0383-4, S. 224–225.
  15. Verweigerung im Alltag und Widerstand im Krieg. (Informationen zur politischen Bildung, Heft 243)
  16. Mario Frank: Walter Ulbricht: Eine deutsche Biografie (Lit.), S. 287–290
  17. Andreas Michaelis: Walter Ulbricht. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
  18.  Die anderen im Zuchthaus. In: Der Spiegel. Nr. 30, 1950 (Online). Siehe auch ZK-Liste
  19. Beschluss der II. Parteikonferenz der SED. Dietz Verlag, Berlin 1952.
  20. Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. Bayerische Landeszentrale für politische Bildung, München 1998, S. 98–111.
  21. Ulbrichts bescheidener Geburtstag. In: Die Zeit, Nr. 28/1953. vgl. Ulbrichts Selbstkritik in der ZK-Sitzung vom 8. Juli 1953, In: Dierk Hoffmann, Karl-Heinz Schmidt, Peter Skyba (Hrsg.): Die DDR vor dem Mauerbau. Dokumente zur Geschichte des anderen Deutschland 1949-1961. München 1993, S. 176.
  22. Stefan Alisch: Die DDR von Stalin bis Gorbatschow. Der sowjetisierte deutsche Teilstaat 1949 bis 1990. In: Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): Die Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz nach 60 Jahren. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2008, S. 137.
  23. Ausschnitt der Fernsehübertragung
  24. www.kirchensprengung.de
  25. spiegel.de
  26. Originalstimme Walter Ulbricht: Anspielung auf das „Yeah, Yeah, Yeah“ der Beatles als wav-Datei.
  27. Jürgen Danyel, Zeitgeschichte der Informationsgesellschaft, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 9 (2012), H. 2, URL: http://www.zeithistorische-forschungen.de/2-2012/id%3D4441#pgfId-1037432
  28. Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. Bayerische Landeszentrale für politische Bildung, München 1998, S. 185.
  29. Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. Bayerische Landeszentrale für politische Bildung, München 1998, S. 186.
  30. Die DDR in den siebziger Jahren. Bundeszentrale für politische Bildung.
  31. Die DDR in den siebziger Jahren. Bundeszentrale für politische Bildung, 1. Absatz.
  32. Zu den wirtschaftlichen Konflikten vgl. Olaf Klenke: Betriebliche Konflikte in der DDR 1970/71 und der Machtwechsel von Ulbricht auf Honecker. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft II/2004.
  33. Die DDR in den siebziger Jahren. Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 258.
  34. Klaus Taubert, Walter Ulbrichts Ende - Gekränkt, gestorben, getilgt, auf Spiegel Online, 1. August 2013 (online), Zugriff am 5. Januar 2017.
  35.  Ulbricht: Wie Goethe. In: Der Spiegel. Nr. 49, 1961 (Online).
  36. Mario Frank (2001), S. 73.
  37. Zit. zu Hass und Spott gegenüber Ulbricht und den Folgen siehe Mario Frank: Walter Ulbricht. 2001, S. 328f., mit weiteren Nachweisen.
  38. Joachim Walther: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik. Ullstein, Berlin 1999, ISBN 3-548-26553-7, S. 93 ff. Betroffen waren u. a. Berta Waterstradt, Renate Holland-Moritz, Günter Kunert und Dinah Nelken
  39. Zur Familie Ulbrichts siehe Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 61 f., 276–282; dort auch das Folgende.
  40. Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 276, siehe auch den Nachruf in der L’Humanité vom 16. November 1990.
  41. Frank Schumann (Hrsg.): Lotte Ulbricht. Mein Leben. Selbstzeugnisse, Briefe und Dokumente. Das Neue Berlin, Berlin 2003, ISBN 978-3-360-00992-0, S. 14, 41, dort S. 51 auch zu Lottes Schwester Margarate Kühn; Informationen zu genauen Lebensdaten Roses bei MyHeritage.
  42. Information der Sendereihe Zeitreise des MDR vom 12. Oktober 2015.
  43. Zu Beate siehe Mario Frank: Walter Ulbricht. Siedler, Berlin 2001, S. 278–282.


Info Sign Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten Versionsgeschichte importiert.
Advertisement