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Selbsthilfegruppen sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gleiches Problem oder Anliegen haben und gemeinsam etwas dagegen bzw. dafür unternehmen möchten. Typische Probleme sind etwa der Umgang mit chronischen oder seltenen Krankheiten, mit Lebenskrisen und/oder belastenden sozialen Situationen. Die Zahl der Selbsthilfegruppen in Deutschland wird auf 70.000-100.000 geschätzt. Laut dem telefonischen Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts 2003 waren oder sind ca. 9 % der erwachsenen Bevölkerung Teilnehmer einer Selbsthilfegruppe.
Selbsthilfegruppen dienen im Wesentlichen dem Informations- und Erfahrungsaustausch von Betroffenen und Angehörigen, der praktischen Lebenshilfe sowie der gegenseitigen emotionalen Unterstützung und Motivation. Darüber hinaus vertreten Selbsthilfegruppen in unterschiedlichem Grad die Belange ihrer Mitglieder nach außen. Das reicht von Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über die Unterstützung von Forschungsprojekten bis hin zur politischen Interessenvertretung. Die häufigste Rechtsform von Selbsthilfegruppen ist der eingetragene Verein. Es existieren aber auch zahlreiche Selbsthilfegruppen in Form "loser Zusammenschlüsse" ohne Rechtsform. Selbsthilfegruppen werden ehrenamtlich geleitet. Unter bestimmten Voraussetzungen können Selbsthilfegruppen im Rahmen der Selbsthilfeförderung nach §20c des Fünften Sozialgesetzbuches die Kosten für Büro, Räume, Öffentlichkeitsarbeit etc. erstattet werden.
Geschichte der Selbsthilfe(-gruppen)[]
Die Selbsthilfe heutiger Form hat ihre Vorläufer in den Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Frauen- und Jugendbewegung. Es wurden zahlreiche Vereine und Organisationen gegründet, die einen weitgehend freien Austausch von Gleichgesinnten ermöglichten und unter deren Deckmantel auch gesundheitsorientierte Selbsthilfe stattfand.
Bei einigen Abstinenzvereinen, wie etwa den Guttemplern, und zahlreichen spirituell oder religiös orientierten Gruppen, wie etwa den Anonymen Alkoholikern (AA) steht ein umfassenderes Leitbild moralisch anstrebenswerter Lebensführung über das ursprüngliche gemeinsame Problem (wie etwa Alkoholismus) hinaus im Vordergrund. Das Zwölf-Schritte-Programm der AA ist mittlerweile auf andere Süchte und Probleme übertragen worden.
Erst nach den sozialen Umwälzungen der 1960ern war offene Selbsthilfe im heutigen Verständnis möglich. Sie setzt voraus, dass sich Menschen öffentlich zu ihrem Problem bekennen können, ohne gesellschaftliche oder strafrechtliche Sanktionen zu befürchten. So hatten etwa Homosexuelle bis 1968/69 strafrechtliche Verfolgung nach § 175 zu befürchten. Suchtkrankheiten wurden erstmals als Krankheiten und nicht nur als moralischer Mangel verstanden. Gleichzeitig entstand ein neuer Gesundheitsbegriff, der eine aktive, eigenverantwortliche Rolle des mündigen Patienten fördert. Wie viele andere neue soziale Bewegungen setzen sie auf Eigeninitiative.
Der Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller spielte in den 1970ern eine wichtige Rolle bei der Etablierung von Selbsthilfegruppen in Deutschland. 1981 gründete er die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V..
In der DDR waren bereits vor der Wende, auch im Rahmen der Bürgerbewegung, erste Selbsthilfegruppen, insbesondere unter dem Dach der Kirche, aktiv.
Selbsthilfegruppen in Deutschland[]
Die Leistungen der Selbsthilfegruppen werden inzwischen als wichtige Ergänzung zum professionellen Gesundheitssystem von den Kostenträgern anerkannt. Daher werden Gesundheitliche Selbsthilfegruppen von der gesetzlichen Krankenversicherung gefördert. Nach §20c des Sozialgesetzbuch V sind alle Krankenkassen dazu verpflichtet. Vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten bieten auch andere Institutionen (z. B. gesetzliche Rentenversicherungen aber auch Kommunen und Länder). Für die Unterstützung von örtlichen Selbsthilfegruppen sind neben den Selbsthilfeorganisationen die ca. 280 Selbsthilfekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen von Bedeutung. Sie befinden sich in unterschiedlichen Trägerschaften - teils bei den Wohlfahrtsverbänden, teils bei den kommunalen Trägern. Professionelle Mitarbeiter (in der Regel Sozialarbeiter/-pädagogen) vermitteln Suchende an bestehende Selbsthilfegruppen oder unterstützen bei der Gründung und In-Gang-Setzung einer neuen Gruppe. Im Unterschied zu Selbsthilfeorganisationen, die ein spezifisches Indikationsgebiet vertreten, haben die Selbsthilfekontaktstellen keinen expliziten Bezug zu bestimmten Erkrankungen oder sozialen Problemen.
Selbsthilfeorganisationen[]
Selbsthilfeorganisationen sind Zusammenschlüsse von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen (z. B. Allergie, Neurodermitis, Diabetes, Krebs, Rheuma) und/oder (psycho-)sozialen Anliegen (z. B. Alleinerziehende, Obdachlosigkeit etc.). Sie sind in der Regel auf Länder- und/oder Bundesebene als e. V. organisiert. Die meisten von ihnen sind Mitglied in einer Dachorganisation auf Bundesebene (z. B. in der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe oder dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV). Beispiele für Gruppen und Verbände, die sich auf Bundesebene eigenständig vertreten, sind die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft und die Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz.
Zu den Mitgliedern von Selbsthilfeorganisationen gehören neben Einzelpersonen (Betroffene, Angehörige von Betroffenen, teilweise auch Professionelle) auch viele der auf örtlicher Ebene arbeitenden Selbsthilfegruppen.
Finanzielle Unterstützung erhalten die gesundheitsbezogenen Selbsthilfeorganisationen vor allem von der Gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und von Rentenversicherungen (Landesversicherungsanstalten, Bundesversicherungsanstalt). Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz des Jahres 2004, das für die Krankenkassen gilt, haben die Selbsthilfeorganisationen über ihre Dachorganisationen Mitspracherechte in wichtigen Fragen der Gesundheitsversorgung. Sie wirken seit Anfang 2004 als Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss und seinen einzelnen Ausschüssen mit.
Selbsthilfearbeitsgemeinschaften[]
Etwa die Hälfte aller Selbsthilfegruppen sind freie, nicht organisierte Selbsthilfegruppen. Sie gehören keiner überregionalen Selbsthilfeorganisation an. Auf kommunaler Ebene organisieren sich manche Selbsthilfegruppen in Arbeitsgemeinschaften, um gesundheitliche und soziale Probleme aus verschiedenen medizinischen und sozialen Bereichen vor Ort aufzugreifen.
Die Arbeit in den lokalen Selbsthilfearbeitsgemeinschaften wird rein ehrenamtlich geleistet. Finanziell erhalten sie sich durch ihre Mitglieder und freiwillige Spenden. Manche sind als gemeinnützige Vereine eingetragen. Selbsthilfearbeitsgemeinschaften erhalten keine finanzielle Unterstützung durch gesetzliche Krankenkassen nach §20 SGB V. Beispiele für solche Arbeitsgemeinschaften finden sich in der Stadt Neuss, der Stadt Grevenbroich und in der Stadt Dormagen.
Selbsthilfekontaktstellen[]
Selbsthilfekontaktstellen sind eigenständige, örtlich oder regional arbeitende professionelle Beratungseinrichtungen. Sie verfügen über hauptamtliches Personal, Räume und Ressourcen. Selbsthilfekontaktstellen erbringen Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für neu zu gründende und bestehende Selbsthilfegruppen.
Jeder Landkreis und jede Großstadt hat eine Selbsthilfekontaktstelle. Diese können über die Nationale Kontakt- und Informationsstelle erfragt werden.
Kritik[]
Einfluss der Industrie[]
Ein Teil der Selbsthilfegruppen und Organisationen der Selbsthilfe pflegt heute die Zusammenarbeit mit multinationalen Pharmaunternehmen, von denen finanzielle Unterstützung fließt. Betroffen sind insbesondere solche Gruppen, bei denen die Zusammenarbeit für die Industrie finanzielle Vorteile und Einflussnahme verspricht. Da die Bewerbung von verschreibungspflichtigen Medikamenten den Herstellern in Deutschland - wie auch in den meisten anderen Ländern weltweit - bisher verboten ist, öffnet die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe den Weg direkt zu den KonsumentInnen der Medikamente. Die Pharmakonzerne sprechen von Information, während neutrale Organisationen im Verbraucherschutz Desinformation beklagen. Mittlerweile gibt es sowohl von Seiten der Selbsthilfe, wie auch von Arzneimittelunternehmen Leitsätze und Richtlinien, die aber freiwillig und nicht verbindend sind [1], die diese Kooperationen vor dem Hintergrund von Interessenkonflikten absichern sollen. Die Selbsthilfe ist über diesen Weg des Sponsorings in die öffentliche Kritik geraten.[2][3][4]
Transparenz der Zuwendungen wird als erster Schritt zur Verbesserung der Problematik gesehen um etwaigen Vorwürfen der Korruption zu begegnen. Die Glaubwürdigkeit von Selbsthilfe kann trotzdem Schaden nehmen. Einige Pharmakonzerne legen ihre Zahlungen an die Selbsthilfe heute offen. Beispielsweise hat der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) insgesamt rund 128.000 Euro im Jahr 2008 an deutsche Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen gegeben. 54 Organisationen erhielten Zuwendungen zwischen 350 Euro und 20.000 Euro. Der Konzern veröffentlichte nach eigenen Angaben alle Spenden auf seiner Homepage.[5] Andere Spender, wie etwa die Deutsche Krebshilfe, verknüpfen ihre Spende mit der Verpflichtung, keine Gelder der Industrie anzunehmen.[6]
Literatur[]
- Bickel, Thomas; Vogelsanger, Vreni; Wächter, Matthias: Gesundheitsligen, Selbsthilfegruppen und weitere soziale Organisationen in: Gesundheitswesen Schweiz 2007-2009. Verlag Hans Huber, Bern 2007. ISBN 978-3-456-84422-0
- Braun, Joachim; Kettler, Ulrich; Becker, Ingo: Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung in der Bundesrepublik Deutschland. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bd. 136, Stuttgart 1997.
- Borgetto, Bernhard: Selbsthilfe und Gesundheit. Analysen, Forschungsergebnisse und Perspektiven und Perspektiven in der Schweiz und in Deutschland. Verlag Hans Huber Hochgrefe AG Bern 2004
- Moeller, Michael Lukas: Selbsthilfegruppen - Selbstbehandlung und Selbsterkenntnis in eigenverantwortlichen Kleingruppen. Rowohlt Verlag, Reinbek b. Hamburg 1978.
- Hundertmark-Mayser, Jutta; Möller-Bock, Bettina: Selbsthilfe im Gesundheitsbereich. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 23. Herausgegeben vom Robert Koch Institut am 1. August 2004 (PDF)
- Kohler, Martin; Ziese, Thomas. Telefonischer Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts zu chronischen Krankheiten und ihren Bedingungen. Deskriptiver Ergebnisbericht. Robert Koch-Institut, Berlin 2004 PDF
- Praschniker, Hans: "Soziodemographischer Hintergrund, Alkoholismuskarriere, Abstinenzdauer, Selbstbild und Persönlichkeit von Genesenden Alkoholikern - eine Erkundungsstudie an Anonymen Alkoholikern in Österreich"; Dissertation Uni Graz 1984. Praschniker Abstracts
- Trojan, Alf (Hrsg.): Wissen ist Macht. Eigenständig durch Selbsthilfe in Gruppen. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 1986
Literatur[]
- "Drug companies and patient groups: who benefits?", Prescrire International, August 2009, 18(102):179
Einzelnachweise[]
- ↑ taz Ein Kodex für Pharmafirmen von Klaus Peter Görlitzer
- ↑ Keller, Martina: Geben und einnehmen. Die Zeit Nr. 21/2005, 19. Mai 2005
- ↑ Schubert, Kirsten; Glaeske, Gerd: Einfluss des pharmazeutisch-industriellen Komplexes auf die Selbsthilfe. Universität Bremen - Zentrum für Sozialpolitik, November 2006. (PDF, 210 Kb)
- ↑ Merten, Martina; Rabbata, Samir: Selbsthilfe und Pharmaindustrie: Nicht mit und nicht ohne einander. Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 46 vom 16. November 2007, Seite A-3157 / B-2776 / C-2678
- ↑ aerztezeitung.de
- ↑ Berliner Zeitung vom 4. Juli 2009 (Seite 15) und epd-Meldung
Weblinks[]
Suchlisten und Kontaktstellen in Deutschland[]
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V.
- NAKOS – Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen
- Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe - Bundesverband e. V.
- Sucht und Selbsthilfe e. V.
Suchlisten und Kontaktstellen in Österreich[]
- Fonds Gesundes Österreich
- Fonds Soziales Wien
- Dachverband der Tiroler Selbsthilfegruppen und -vereine
Suchlisten und Kontaktstellen in der Schweiz[]
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