Das Forum für einen fortschrittlichen Islam (FFI) ist ein Verein schweizerischer Muslime und Nichtmuslime mit dem Ziel, das Verhältnis von Islam und westlicher Moderne offen zu diskutieren und auf diese Weise als Teil einer größeren liberalen islamischen Bewegung zu einem „offenen und zeitgemässen Islam“ beizutragen.[1] Sie hat ihren Sitz in Zürich.
Geschichte[]
Der Verein wurde am 27. November 2004 in Zürich auf der ersten Vollversammlung offiziell gegründet[2] mit ähnlichen Zielen wie das Muslimische Forum Deutschland oder die Initiative Liberaler Muslime Österreich. Zur Präsidentin wurde Saïda Keller-Messahli gewählt, die auch den Anstoß zur Gründung gab, nachdem sie das Buch Die Krankheit des Islam von Abdelwahab Meddeb gelesen hatte. Nach eigenen Angaben erhält sie regelmäßig Drohungen, und viele Sympathisanten wollen sich nicht zu erkennen geben, weil sie die Bedrohung fürchten.[3] Einziges nichtmuslimisches Vorstandmitglied ist Karl Gruber, katholisch und ehemaliger Jugendsekretär des Bezirks Pfäffikon.[4]
Inzwischen ist der Verein eine feste Größe in öffentlichen Debatten rund um den Islam und immer wieder in den Schweizer Medien präsent. Nach eigenen Angaben gibt es heute Lokalsektionen für die Zentralschweiz, Zürich, Bern, die Romandie und das Tessin.[5]
Im Jahr 2016 verlieh die Schweizer Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte IGfM ihren jährlichen Menschenrechtspreis an die Gründerin und Vorsitzende des FFI, Saïda Keller-Messahli: „Sie habe unter dem Einsatz ihres Lebens „immense Aufklärungsarbeit geleistet“, und ihr liege am Herzen, dass der Islam als moderne, menschliche und lebensbejahende Quelle verstanden werde. Ihr Ziel sei es, den Muslimen einen humanen Islam zu hinterlassen.“[6]
Positionen[]
In einem Positionspapier fordert das FFI, „religiöse und traditionelle Quellen zu hinterfragen, sowie die selbstkritische innermuslimische Debatte fördern. Ziel ist es, die muslimische Perspektive zu öffnen und ein muslimisches Selbstverständnis zu fördern, das seine Grundlagen in der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte verankert weiß. Eine zeitgemäße Neuinterpretation islamischer Quellen soll den Menschen in einer modernen Zeit als Lebenshilfe zur Seite stehen – statt einzuengen soll der Islam Ressourcen des Zusammenlebens mobilisieren. Wir sehen uns als Teil eines inner- und aussereuropäischen Erneuerungsprozesses innerhalb des Islam und sind überzeugt, dass nur ein schrittweises Vorgehen zum Ziel führen wird.“[7] [8]
Als Literatur empfiehlt das FFI zum Thema Koranexegese vor allem die Autoren Nasr Hamid Abu Zaid und Mohammed Arkoun.
In einer Stellungnahme vom 4. September 2009 sprach sich das FFI gegen die Initiative zum Minarettverbot aus: „Die Verbotsbefürworter verstärken damit bewusst oder unbewusst die traditionalistischen muslimischen Kreise und sogar die verschwindend kleine Minderheit von Islamisten, welche sich nichts sehnlicher wünscht als einen Kampf der Kulturen.“ - In einer Stellungnahme vom 16. November 2015, nach den Terroranschlägen in Paris u.a. auf das Bataclan-Theater, forderte das FFI eine Fatwa gegen den politischen Islam, das Verbot des Islamischen Zentralrats Schweiz und die Schließung von radikalen Moscheen. Eine Diskussion mit Salafisten sei zwecklos.[9]
In der Debatte um einen verweigerten Handschlag von Schulkindern gegenüber ihrer Lehrerin recherchierte das FFI die Hintergründe. Nach Meinung des FFI wurden die Kinder nur von ihrem Vater, einem Imam, vorgeschoben, um die politischen Forderungen der Islamischen Weltliga in die Schweiz zu tragen.[10] [11]
Kritik[]
Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz, „wirft Keller-Messahli vor, Vorurteile über den Islam wie Gewaltbereitschaft und Frauenfeindlichkeit zu schüren. Ihre Gruppe sei ohnehin nicht in der islamischen Basis verankert. Afshar macht bereits klar, dass er es nicht für opportun hält, wenn liberale Vertreter wie Keller-Messahli in einem definitiven Islamforum mit dabei wären. «Sie vertritt antiislamische Positionen der SVP. Genauso gut könnte man die SVP an den Tisch holen.»“[12]
Die nationalkonservative Schweizerzeit kritisiert das FFI dafür, die Illusion eines fortschrittlichen Islam zu schaffen. In Wahrheit könne der Islam gar nicht modern interpretiert werden.[13]
Siehe auch[]
- Islam in der Schweiz
- Liberale Bewegungen im Islam
Weblinks[]
- Offizielle Internetpräsenz des Forums für einen fortschrittlichen Islam.
- Interview mit Saïda Keller-Messahli und Thabet Eid zur Gründung des FFI, Neue Zürcher Zeitung 27. November 2004.
- Gudrun Sachse: Unerschrockene Kämpferin, Saïda Keller-Messahli, NZZ Folio August 2016.
Einzelnachweise[]
- ↑ FFI: Statuten vom 27. November 2004
- ↑ FFI: Statuten vom 27. November 2004
- ↑ Im Interview: Saïda Keller-Messahli „Diese Angst ist Verhältnisblödsinn“, Der Landbote 23. April 2010
- ↑ Das Forum für einen fortschrittlichen Islam wird aktiv: Modern denkende Muslime ermutigen, Neue Zürcher Zeitung 14. Dezember 2005
- ↑ FFI: Siehe Archiv/Medienpräsenz, und: Über uns/Lokalsektionen, abgerufen September 2016.
- ↑ Auszeichnung: Zürcherin erhält Menschenrechtspreis 2016 – sie kämpft für einen «humanen Islam», Limmattaler Zeitung 20. Juli 2016
- ↑ FFI: Positionspapier Sommer 2005
- ↑ Das Forum für einen fortschrittlichen Islam wird aktiv: Modern denkende Muslime ermutigen, Neue Zürcher Zeitung 14. Dezember 2005
- ↑ FFI: Siehe Archiv/Stellungnahmen 2009, 2015
- ↑ Charlotte Theile: Debatte um Handschlag Süddeutsche Zeitung 13. April 2016
- ↑ Entscheidung in der Schweiz: Muslimische Schüler müssen Lehrerin die Hand geben Der Spiegel 25. Mai 2016
- ↑ Verena Vonarburg, Bern: Die Muslime in der Schweiz streiten über den „richtigen“ Islam Tagesanzeiger 22. Januar 2011
- ↑ Olivier Kessler: Saïda Keller-Messahli und die Mär des «fortschrittlichen» Islams Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» vom 29. August 2014
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