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Das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie (GWI) ist eine am 15. Juni 2007 gegründete und in Berlin ansässige Einrichtung der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung.[1]

Gründung und organisatorische Struktur[]

Das Institut ist die Zusammenführung dreier Vorgängerinstitutionen. Die 1987 gegründete FrauenAnstiftung fusionierte 1997 mit der Heinrich-Böll-Stiftung und zeitgleich wurde ein feministisches Institut (FI) beschlossen, das 1998 unter Leitung von Claudia Neusüß gegründet wurde. Das FI war als „‚feministischer think tank‘ und Teil eines internationalen Netzwerks für Frauenforschung und Frauenpolitik konzipiert“.[2] Die Stabsstelle Gemeinschaftsaufgaben Geschlechterdemokratie der Böll-Stiftung, die mit Gunda Werner und Henning von Bargen 1998 ihre Arbeit aufgenommen hatte,[3] wurde 2007 mit dem Feministischen Institut zum Gunda-Werner-Institut fusioniert, „um Feminismus, Frauen - und Männerpolitik organisatorisch unter ein gemeinsames Dach zu bringen“.[4] Der Name des Instituts wurde zu Ehren der seit 1998 bis zu ihrem Tod im Jahre 2000 an der Gründung des Instituts maßgeblich beteiligten Gunda Werner gewählt.[3]

Das Gunda-Werner-Institut besteht aus sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern [5] und wird durch eine Institutsleitung geführt, die dem Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung unterstellt ist.[6] Seit 2007 fungierten Gitti Hentschel (bis 2015) und Henning von Bargen als Leitung des Instituts.[7] 2015 übernahm Ines Kappert die gemeinsame Leitung mit von Bargen.[3][8]

Ziele und Tätigkeiten[]

Podium (5780617460)

Veranstaltung u.a. mit Gunter Pilz und der ehem. mexikanischen Nationalspielerin Ana Montenegro zur Kampagne Gender Kicks des GWI zur Frauenfußball-WM 2011 in 12 Städten

Das GWI versteht sich als Schnittstelle von Wissenschaft und Politik und will einen „Theorie-Praxis-Transfer“ befördern.[9] Es ist keine Forschungseinrichtung, sondern beschränkt sich auf Synthesen externer Forschung. Dem GWI komme eine „strategische Vordenkerfunktion“ für die Heinrich-Böll-Stiftung zu, so der Politikwissenschaftler Ulrich Heisterkamp.[10]

Es hat sich folgende Ziele gesetzt[11]:

  • Geschlechterthemen offensiv politisieren
  • Feministische und geschlechterdemokratische Ansätze kritisch reflektieren
  • Frauenrechte als Menschenrechte und Partizipation global fördern
  • Netzwerke unterstützen und ausweiten, ein virtuelles Wissensportal aufbauen
  • Diskurse zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft initiieren
  • Gender-Kompetenzen durch Beratung aktiv vermitteln

Um Gender-Kompetenz in der beruflichen Praxis zu vermitteln, führt das GWI Weiterbildungen durch, die so konzipiert sind, dass die Teilnehmenden in Teams von Frauen und Männern zusammenarbeiten. Diese Norm der „geschlechterparitäischen Zusammensetzung“, die von Henning von Bargen und Angelika Blickhäuser entwickelt wurde, nahmen die Herausgeberinnen des Buchs Chancengleichheit durch Personalpolitik (2011) als Ausgangspunkt ihrer Analyse, die zeige, dass Gender-Trainings nach dieser Norm „als paradoxen Effekt Geschlechterungerechtigkeit“ bewirke. Angesichts der Erkenntnisse der Geschlechterforschung sei es problematisch davon auszugehen, dass ein Mann und eine Frau das Geschlechterverhältnis repräsentieren müssten.[12] Das GWI entwickelte auch eine Gender-Toolbox in vier Sprachen mit Übungen und Materialien zum Thema Gender als Unterstützung für Multiplikatoren, z.B. in der Lehramtsausbildung.[13]

Publikationen[]

Zwischen 2007 und 2017 hat das GWI zwölf Bände der Schriften des Gunda-Werner-Instituts sowie weitere Publikationen herausgegeben, die in Fachbüchern, dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs rezipiert werden.

In ihrer Rezension des 2013 erschienen Bandes 9 der Schriften des GWI Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie zog Sarah Dellmann von der Universität Utrecht das Fazit: „Die Beschränkung auf einen methodenkritischen und wissenschaftstheoretischen Blick ermöglicht es den vier Autor/-innen, Positionen zu hinterfragen, die sich selbst als „objektiv“ und „neutral“ erklären. Es gelingt ihnen, den oft pauschal und polemisch an die Gender Studies gerichteten Unwissenschaftlichkeitsvorwurf als unhaltbar vorzuführen und als politisch motiviert zu entlarven, ohne dass sie selbst in Polemiken verfallen. So trägt diese Broschüre dazu bei, sich auf einer sachlichen Art mit den Ergebnissen der Geschlechterforschung und Strategien der Geschlechtergleichstellung auseinanderzusetzen.“[14]

In den Diskussionen um das Bedingungslose Grundeinkommen gehört der 2008 (Neuauflage 2010) erschienene Band 4 der Schriften des GWI Soziale Sicherheit neu denken zu den Referenzpublikationen. Darin kritisiert die Sozialwissenschaftlerin Susann Worschech, dass bei den Modellen zum Grundeinkommen der Gender-Aspekt zu wenig oder gar nicht berücksichtigt werde.

Kontroverse um das Projekt „Agent*In“[]

Hauptartikel: Agent*In

Im Juli 2017 schaltete die Böll-Stiftung das Internet-Projekt agentin.org frei, das nach eigener Angabe ein „Antifeminismus-kritisches Online-Lexikon“ ist. Redaktionell verantwortlich war das Gunda-Werner-Institut. Das Angebot stieß auf breite negative Kritik.[15] Am 4. August 2017 wurde es offline genommen. Ein Text informierte, dass die Seite derzeit überarbeitet und erweitert werde, um sie verständlicher und vielfältiger zu machen.[16]

Der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung teilte dazu in einer Stellungnahme am 7. August 2017 mit: „Die öffentlich und intern geübte Kritik am Format der ‚Agent*In‘ hat uns deutlich gemacht, dass dieser Weg nicht geeignet ist, die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung zu Antifeminismus zu führen. Wir bedauern sehr, dass durch die gewählte Form manche an antidemokratische Methoden erinnert werden und entschuldigen uns bei denjenigen, die sich möglicherweise persönlich verletzt fühlen.“[17]

Weblinks[]

Einzelnachweise[]

  1. Kai Gehring (MdB): Grußwort zum Festakt zur Gründung des „Gunda-Werner-Instituts für Feminismus und Geschlechterdemokratie“ am 15. Juni 2007 in Berlin, (pdf, 9 kB), abgerufen am 4. August 2017
  2. Zitiert nach  Ulrich Heisterkamp: Think Tanks der Parteien? Eine vergleichende Analyse der deutschen politischen Stiftungen. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-06858-5, S. 383, doi:10.1007/978-3-658-06858-5.
  3. 3,0 3,1 3,2  Ulrich Heisterkamp: Think Tanks der Parteien? Eine vergleichende Analyse der deutschen politischen Stiftungen. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-06858-5, S. 384, Fn. 1411, doi:10.1007/978-3-658-06858-5.
  4.  Ulrich Heisterkamp: Think Tanks der Parteien? Eine vergleichende Analyse der deutschen politischen Stiftungen. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-06858-5, S. 384, doi:10.1007/978-3-658-06858-5.
  5. Personen des Instituts auf boell.de
  6. Statut des GWI, beschlossen in der Mitgliederversammlung am 20. April 2007 (pdf)
  7. [1], Porträt Gitti Hentschel
  8. "taz" verliert Leiterin des Meinungsressorts, Horizont am 1. Juni 2015, abgerufen am 4. August 2017
  9.  Ulrich Heisterkamp: Think Tanks der Parteien? Eine vergleichende Analyse der deutschen politischen Stiftungen. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-06858-5, S. 384 f., doi:10.1007/978-3-658-06858-5.
  10.  Ulrich Heisterkamp: Think Tanks der Parteien? Eine vergleichende Analyse der deutschen politischen Stiftungen. Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-06858-5, S. 385, doi:10.1007/978-3-658-06858-5.
  11. Datenbank: Gender Mainstreaming, Erwachsenenbildung.at, BMB (Bundesministerium für Bildung). Stand: 2014, abgerufen am 6. August 2017
  12. Gertraude Krell, Renate Ortlieb, Barbara Sieben (Hrsg): Chancengleichheit durch Personalpolitik. 6. überarbeitete Auflage, Gabler Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-8349-2979-2, Einleitung, S. 146-151
  13. Juliette Wedl, Annette Bartsch (Hrsg.): Teaching Gender? Zum reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung, Transcript Verlag, 2015, ISBN 978-3-8376-2822-7, Literatur S. 546
  14. Methodische Mängel der Gender-Gegner/-innen. Rezension von Sarah Dellmann. Querelles, Jg. 15, Nr. 2 (2014), online auf querelles.net, abgerufen am 12. August 2017
  15.  Kathleen Hildebrand: „Pranger“ oder Alltag im Geschlechterkampf?. In: sueddeutsche.de. 28. Juli 2017, ISSN 0174-4917 (http://www.sueddeutsche.de/medien/feminismus-debatte-lexikon-der-anti-feministen-1.3605048).
  16. Antifeminismus-Liste der Böll-Stiftung Agent*in „vorübergehend offline“ taz online, abgerufen am 4. August 201
  17. Stellungnahme der Heinrich-Böll-Stiftung vom 7. August 2017.


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